Für den Lehrstuhl für Angewandte Drahteselei höchste Zeit, eine neue Vorlesung aufzuziehen. |
Kommen
wir nun also zur enthusiastischen Drahteselei. |
Enthusiasmus bedeutet nach dem Fremdwörterbuch Begeisterung und
Leidenschaftlichkeit. Drahteselei meint nach Lektion
1 des Rundkurses Drahteselei die funky Symbiose zwischen Radler
und Gefährt.
Die enthusiastische Drahteselei steht mithin für eine ganz besondere
Art, sich fortzubewegen.
Sie wird zumeist dadurch charakterisiert, dass der (stets trübe)
Blick des Fahrers und die (stets endlose) Straße eine feste geometrische
Einheit bilden, während im Verborgenen eine wilde Verbrennungsorgie
unnützer Kalorien seinen Lauf nimmt.
Ein wichtiges Kennzeichen der enthusiastischen Drahteselei ist dabei
die Freiwilligkeit, ja die Vorsätzlichkeit, sich in eine physisch
höchst anspruchsvolle Situation zu begeben und - der Weg ist schließlich
das Ziel - zu durchleben.
In dieser Vorlesung soll und kann nur die kompetitive enthusiastische
Drahteselei erfaßt werden, die wohl populärste Spielart. Sie ist
unzweifelhaft daran zu erkennen, dass die oben genannte geometrische Einheit
von Blick und Straße durch einige fremde Hinterräder ergänzt
wird.
.
Im Spektrum der enthusiastischen Drahteselei
finden sich außerdem: - die egozentrische Variante, gekennzeichnet durch Bevorzugung von Auf-eigene-Faust- Wüstendurchquerungen - die körperkultige Variante, die unter Umständen nicht zur enthusiastischen Drahteselei gehört, da die Begeisterung hier durch Fitneßsucht ersetzt wird |
Doch kommen wir nun zu Potte. Die glorreichen Länder sind vorzustellen,
in denen der Radsport (der vulgärsprachliche Begriff für die
kompetitive enthusiastische Drahteselei) mehr als anderswo reüssiert
hat. Wenn man davon ausgeht, dass die internationale enthusiastische Drahteselei
einen Körper darstellt, dann ist
Italien das Herz
Frankreich der Gehirn
Belgien der rechte Arm
Spanien das linke Bein
und Deutschland der Blinddarm
unseres cyclosophischen Menschens.
Demnächst beginnen wir uns den beiden Supermächten der kompetitiven
enthusiastischen Drahteselei zuzuwenden, den Ländern, wo sich das
Rad in allen - oder zumindest allerlei - Köpfen dreht:
Coppisten und Bartalisten, Giro und Pantamania "Sollte es Ihnen passieren, dass Sie in Italien äußern, das
Fahrrad sei nicht von einem Italiener erfunden, so werden sie sehen: alle
Mienen verdunkeln sich, ein Schleier von Traurigkeit legt sich über
die Gesichter. Oh, wenn sie in Italien sagen, wenn sie laut und deutlich
in einem Café oder auf der Straße sagen, daß das Fahrrad
nicht genau wie das Pferd, der Hund, der Adler, die Blumen, die Bäume,
die Wolken von einem Italiener erfunden worden ist (denn es waren die
Italiener, die das Pferd, den Hund, den Adler, die Blumen, die Bäume,
die Wolken erfunden haben), dann wird der Halbinsel ein langer Schauer
über den Rücken jagen, von den Alpen bis zum Ätna..." |
Le Tour, Roubaix, Poupou und Mont Ventoux "Die immer dichter werdende Menge ist bis zur Mitte der Strasse vorgedrungen
und öffnet sich in ihrem lästigen Übereifer immer gerade
vor dem Führenden, der nun den Kopf oben hat, so daß man seinen
verzweifelten Blick und seinen offenen Mund sieht, aus dem wohl wütende
Schreie kommen. Man macht ihm Platz, aber die Menschenmenge schließt
sich gleich wieder vor uns, die wir ihm folgen, so wie ein Kornfeld, das
sich nach dem Windstoß sofort wieder aufrichtet. Ein zweiter Fahrer
streift uns, genauso von der Menge behindert, die ihn feiert, und sein
blondes Gesicht, genauso wütend, starrt wie von Sinnen auf einen
Punkt da vorne: den Eingang der Radrennbahn..." |
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